Künstliche Intelligenz hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Chatbots wie ChatGPT oder Gemini erfreuen sich grosser Beliebtheit. Nun bringt ein chinesisches Start-up frischen Wind in den umkämpften KI-Markt und sorgt für ein Börsenbeben: DeepSeek. Entwickelt von Liang Wenfeng und seinem Team hat dieser Chatbot innert kürzester Zeit immense Popularität erlagt und sogar etablierte Modelle überholt – zu einem Bruchteil der Kosten. Aber wie gut ist der Chatbot wirklich und wie sieht es mit Zensur aus? Wir haben DeepSeek getestet.
DeepSeek agiert als «KI-Labor» der Wagniskapitalfirma High-Flyer aus Hangzhou (China) und wurde 2023 vom Unternehmer und KI-Pionier Liang Wenfeng gegründet. Eine erste Version des Chatbots wurde am 10. Januar 2025 veröffentlicht. Seitdem schoss DeepSeek an die Spitze der Download-Charts und wurde zudem zur meistgeladenen kostenlosen App im iOS-App Store in den USA – ein beachtlicher Erfolg angesichts starker Konkurrenz. Und mehr noch: DeepSeek selbst behauptet, seine KI-Modelle für weniger als sechs Millionen Dollar auf vereinfachten NVIDIA-Chips zu trainieren. Erstaunlich, wenn man vergleicht, dass Google’s Gemini im Jahr 2023 Kosten in Höhe von rund 190 Millionen Dollar verursacht haben soll. Analysten bezweifeln die Kostenaussagen von DeepSeek und vermuten, dass das Unternehmen möglicherweise viel mehr Chips verwendet, als offiziell angegeben.
Der wohl innovativste Aspekt: DeepSeek setzt konsequent auf Open Source. Dank MIT-Lizenz kann jeder das Modell verwenden und für seine Zwecke anpassen, der Code ist öffentlich verfügbar.
Die MIT-Lizenz (Massachusetts Institute of Technology License) ist eine der bekanntesten und am häufigsten verwendeten Open-Source-Softwarelizenzen. Sie ist sehr permissiv, einfach zu verstehen und bietet Entwicklern große Freiheit bei der Nutzung, Modifikation und Weitergabe von Software. Hier sind die Hauptmerkmale:
DeepSeek bietet eine beeindruckende Unterstützung für mehrere Sprachen. Im Gegensatz zu vielen anderen KI-Modellen ist DeepSeek stark auf die Integration lokaler Inhalte ausgerichtet. Hervorzuheben sei hier die natürliche Sprachverarbeitung, die auch regionale Dialekte und kulturelle Nuancen berücksichtigt, wenn auch nicht einwandfrei. Wir haben das «Wandrers Nachtlied» von Johann Wolfgang Goethe von DeepSeek auf Züritüütsch übersetzen lassen:
Original | Auf «Züritüütsch» |
Über allen Gipfeln Ist Ruh, In allen Wipfeln Spürest du Kaum einen Hauch; Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur, balde Ruhest du auch. | Über allne Gipfel isch’s still, i allne Wipfel spürsch nümme vil, kaum en chliine Luftzug. D›Vögel si still im Wald. Wart nur e chli, bald ruehsch au du gnueg. |
Trotz des Erfolgs und der Vielseitigkeit von DeepSeek ist der Chatbot nicht frei von Kritik. Einige der Hauptpunkte sind:
- Zensur: Ein grosser Kritikpunkt an DeepSeek ist die Zensur sensibler Themen, inbesondere solcher, die die chinesische Regierung betreffen. Wir haben festgestellt, dass DeepSeek auf die Frage zur Situation der Uiguren in China erst eine detaillierte Antwort liefert (siehe Video), die dann aber innert Sekunden verschwindet und der Hinweis: «Sorry, that’s beyond my current scope. Let’s talk about something else.» (zu deutsch: «Entschuldigung, das liegt ausserhalb meines aktuellen Kompetenzbereichs. Lass uns über etwas anderes sprechen»).
- Datenschutz: Da DeepSeek aus China stammt, gibt es Bedenken über den Schutz hochsensibler Daten. Experten warnen davor, dass die Privatspähre der Nutzerinnen und Nutzer womöglich nicht ausreichend geschützt ist.
- Kontextuelle Schwächen: Gleichwohl DeepSeek in vielen Bereichen besonders gut abschneidet, gibt es Berichte über gelegentliche Fehlinterpretationen bei komplexeren Fragestellungen.
Fabian Westerheide, Tech-Investor und KI-Experte, rät im Interview mit t-online, von der Nutzung des «R1»-Sprachmodells von DeepSeek ab: «Bei aller Begeisterung empfehle ich einen bewussten Umgang mit chinesischer Technologie». Insbesondere im Bereich kritischer Infrastrukturen wie der Energieversorgung oder im Finanzwesen sei bei der Nutzung der Anwendung äußerste Vorsicht geboten, so Westerheide.
DeepSeek ist zweifellos ein beeindruckender Schritt nach vorne in der Welt der KI-Chatbots. Doch trotz zahlreicher Vorteile gegenüber bisherigen KI-Lösungen darf nicht vergessen werden, dass es inbesondere im Bezug auf Datenschutz und politische Unabhängigkeit grosse Zweifel gibt.